Unterwegs zum Wochenbett – was zwischen zwei Haustüren so passieren kann

Photo by Adam Griffith on Unsplash

Wer das Wort Hebamme hört, denkt automatisch an die Frau im Gebärsaal. Die mit dem Kopf zwischen den Beinen der Gebärenden. Denkt an blutbefleckte Kleidung. An «Pressen, Pressen» und daran, dass wir das Baby – sobald es draussen ist – hochhalten, wie Rafiki den kleinen Simba in König der Löwen. Den Triumph des neuen Lebens feiern.

Was viele vergessen: Hebammen arbeiten nicht nur im Gebärsaal. Wir arbeiten auch in der Wochenbettbetreuung bei den Familien zuhause. Von Haus zu Haus und Tür zu Tür sind wir meistens mit dem Auto unterwegs.

Der Hausbesuch beginnt schon mit der Vorbereitung. Obwohl ich im Vorfeld genau weiss, wann ich abfahren muss, damit ich stressfrei zu meinen Babybesuchen respektive Wochenbettbesuchen komme, scheint es jedesmal so, als würden die letzten zehn Minuten vor Abfahrt doppelt so schnell vergehen. In hektischer Eile suche ich Unterlagen, Handy, Portemonnaie. Ein Erstbesuch bei einer Wöchnerin steht an. Zwischen meiner Haustür und der Haustür der Wöchnerin liegen rund zwanzig Minuten Autofahrt. Eine lange Fahrt, wenn man kein Essen dabei hat.

Und ohne Essen, wird auch die sanfteste Hebamme ein garstiger Tiger.

Die Zeit!
Ich sollte bereits im Auto sitzen. Doch fürs Essen muss es reichen. Rasch einen Blick in den Vorratsschrank: «Yesss», da liegt noch ein alter Farmerstängel rum. Ablaufdatum unbekannt. Aber: Besser als gar nichts. «Bloss nicht vergessen, vor dem Aussteigen nochmals die Zähne im Rückspiegel zu checken», erinnere ich mich. Man möchte die Wöchnerin schliesslich nicht gleich mit einem Gebiss voller Müsli begrüssen.

Im Auto muss ich noch die Adresse ins Handy tippen. Vertippe mich im Stress ein paarmal. Dann endlich weiss das Navi, wo ich hin will und ich kann losfahren. Jetzt, wo ich ’nur‘ noch Autofahren muss, fällt mir auf, dass ich Durst habe. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal getrunken habe. Ich beginne, in der Tasche auf dem Beifahrersitz zu wühlen, ohne die Strasse aus dem Blick zu lassen. Wo ist die Wasserflasche, wenn man sie braucht?

Und dann passierts. Ein schwarzer VW Golf. Schafft’s noch vor mir auf die Hauptstrasse. 35Km/h, graue Haare. Ich komme zu spät! Definitiv.

Kurz überlege ich, zu überholen. Beschliesse aber, dass das Trinkbedürfnis akut noch grösser ausfällt, als das Bedürfnis nach freier Fahrt. Endlich finde ich die Flasche. Bin grad am Öffnen, als der Senior vornedran bremst, als würde ein Reh über die Fahrbahn hüpfen. Was nicht der Fall ist. Aber er will abbiegen. Na also.

Den Schluck Wasser getrucken habe ich nicht, aber nun immerhin freie Fahrt.

Ich schaffe es ohne teueres Foto bis zur Strasse, in der die Wöchnerin gemäss Navi wohnt. «Bitte wenden», lässt dieses verlauten. Wie eine verirrte Touristin fahre ich ziellos die Strasse rauf und runter. «150 Meter bis zum Ziel», so das Navi. Doch eine Nummer 32 kann ich nicht ausmachen.

Ganz ehrlich. Im Gebärsaal geht’s zwar manchmal hektisch, laut und blutig zu und her. Aber immerhin habe ich dort nie ein Problem damit, zu wissen, wo das Baby zu finden ist.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.