Wenn die Hebamme Mama wird

Man sollte meinen, als Hebamme ist Mama werden sowas wie Routine. Schliesslich macht man mehrheitlich nichts anderes, als werdende Mamas zu begleiten und zu beraten. Wie Babypflege funktioniert? Wir wissen so ziemlich alles. Was, wenn sie nicht funktioniert? Wissen wir auch. Schliesslich sind wir die, die dann die Antworten parat haben müssen.

Als ich zum ersten Mal Mutter wurde, fühlte sich dies auch ungefähr so an. Alles neu, aber gleichzeitig doch so bekannt. Mein Wissen anwenden und gespannt warten, ob es auch wirklich funktioniert. Grenzen austesten, neue Erfahrungen sammeln und den Rucksack als Mama, aber insbesondere auch als Hebamme weiter füllen.

Entsprechend entspannt und unbeschwert ging ich beim zweiten Mal Mamawerden ans Werk.

Doch was macht die Hebammen-Mutter, wenn plötzlich nicht mehr alles so klar und einfach funktioniert wie beim ersten Mal? Beginnen wir bei den Brustwarzen. Sie tun unglaublich weh. Nach drei Tagen Stillen. «Was tue ich mir hier an?» – jedesmal beim Ansetzen. Ach ja, genau, Stillen ist das Beste für mein Kind. Hebammenmantra.
Natürlich weiss ich, was man bei wunden Brustwarzen macht. Nach einer gefühlten Ewigkeit Pumpen, Ansetzen, doch lieber Pumpen, tritt die ersehnte Besserung ein.

Was in der Theorie effizient tönt, fühlt sich im richtigen Leben zwischen zwei Kindern, zu wenig Schlaf und der besserwisserischen Hebammenstimme im Hinterkopf wie eine Ewigkeit an.

Weiter geht es mit dem Schlaf. In unserer Familie ein totales MUST. Erstes Kind, guter Plan, guter Schlaf. Nach Lehrbuch. Schliesslich bin ich Profi. Zweites Kind, guter Plan, schlechter Schlaf. Egal, wie sehr ich mich bemühte, keiner meiner berühmten Hebammentricks funktionierte, wie er sollte oder wie Mama wollte. Back to basics. Geduld. Damit wurde es langsam besser – und ich fragte mich, ob beim ersten Kind wirklich alles so einwandfrei funktioniert hatte, oder ich mir die erste Zeit einfach umhüllt von rosa Wolken in der Erinnerung abgelegt hatte.

Noch ein wunder Punkt: Der Haushalt. Gefühlt gerade eben noch voll berufstätig und in kurzer Zeit nebenbei den Haushalt schmeissen, kein Problem. Schön war es, so aufgeräumt und sauber. Mit Kleinkind und Baby sieht es leider etwas anders aus. Wann habe ich das letzte Mal den Staubsauger gesehen? Habe ich das Badezimmer nicht erst geputzt? Woher kommen bloss die Wäscheberge? Ich passe doch noch immer in fast keine Kleidung? Fragen über Fragen. Muss ich neben der Still-App nun auch noch eine Haushalts-App finden, damit ich mich beim nächsten Besuch nicht gleich in Grund und Boden schäme. Oder dieser das Gefühl hat, mir beim Putzen helfen zu müssen…

Die Hebamme im Hinterkopf. Womöglich wäre es befreiend, sie für die Zeit des eigenen Wochenbetts auf Eis zu legen. Weiss immer alles besser, hinterfragt immer alles, hat tausende Vergleichsmöglichkeiten – aber wie man sich selbst am besten hilft? Da sind Besserwisser wenig hilfreich. Schliesslich hätte ich nebst dem Berufswissen auch noch Herz und Hirnleistung. Und eine eigene Hebamme, die sich um mich sorgt. Für einmal wie eine meiner Klientinnen sein. Im betreuten Wochenbett zu lieben und mit einem Lächeln im eigenen «Muttisein» zu versinken. Sollte ich unbedingt sofort umsetzen.

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